1963 war ein ereignisreiches Jahr. Zürich erlebte eine Seegfrörni, Bob Dylan veröffentlichte sein zweites Album und in Dallas starb ein Präsident, der kurz zuvor eine direkte Telefonverbindung zwischen Moskau und Washington hatte einrichten lassen. Dies als Ergebnis der Erkenntnisse die man während der Kuba-Krise gemacht hatte. Gleichzeitig läutete das Jahr 1963 den zweitletzten Jahrgang der traditionsreichen Series 62 Baureihe von Cadillac ein. Sie wird 1965 durch die «Calais-Serie» abgelöst werden. Das Design des 63er Jahrgangs überzeugt bis heute durch subtile aber richtungsweisende Überarbeitungen. Die Silhouette wirkt straffer, flächiger und ruhiger als die der früheren Jahrgänge. Es ist ein erster Hinweis auf das Design der späten Sechzigerjahre. Einer kommenden Ära, in der die Autos nochmals niedriger, breiter und länger gezeichnet werden. Die Integration von Kotflügeln, Dach und Kofferraum in die Gesamtstruktur war beim 63er bereits weit vorangeschritten. Chrom wurde sparsamer und gezielter eingesetzt. Um es auf einen Nenner zu bringen, das Auto wirkt stilistisch erwachsener und reifer als seine älteren Brüder. Dazu trägt aber auch die Farbe unseres 2-door-hardtop-coupés bei. Sie hört auf den verheissungsvollen Namen Briar Rose. Ein silberner Metallic-Ton, der je nach Licht in einem dunklen Rosa changiert. Weckt das nicht Assoziationen an mondäne Orte wie Nizza, Monte Carlo oder Deauville? Man kann sich gut vorstellen, wie damals aufstrebende Stars namens Alain Delon oder Claudia Cardinale in einem solchen Wagen während der 16. Internationalen Filmfestspielen in Cannes vom Hotel zum Palais des Festivals et des Congrès chauffiert wurden. Weil der Wagen ohne B-Säule auskam, war das Seitenprofil besonders luftig und bot viel Einblick in das Innere des Fonds. Die Menschenmassen, welche die Croisette säumten, wussten das bestimmt zu schätzen. Unser Coupé ist erst knapp 30’000 Meilen gelaufen. Die Erstbesitzern hat den Wagen mit massgeschneiderten Schonüberzügen bestellt. Diese befinden sich zum heutigen Tag auf den Polstern. Der Stoff darunter, darf demnach als jungfräulich bezeichnet werden. Jungfräulich erscheint auch alles andere am Wagen. Die Bilder sprechen für sich. Der Zustand ist schlicht atemberaubend. Vermutlich findet sich weltweit keine Handvoll vergleichbarer Fahrzeuge. Der 6.4 Liter V8 startet auf den ersten Dreh und fällt nach einigen Minuten in einen nähmaschinenartigen Leerlauf. Dank 325 SEA-PS und einem automatischen Vierganggetriebe, das kaum spürbar die Übersetzungen wechselt, erreicht der Cady bei Bedarf in wenigen Sekunden Landstrassentempo. Die Servolenkung ist derart fein austariert, dass es reicht, mit dem kleinen Finger zu kurbeln. Dennoch wirkt sie zielgenau und spielfrei. Vier elektrische Fensterheber sorgen im Nu für ein luftiges Fahrvergnügen. Wird es mal doch zu warm, fährt man die Scheiben nach oben und kühlt mit der funktionierenden Klimaanlage auf Wohlfühltemperatur. Der Cadillac stand die letzten Jahre in einer Sammlung. Er wurde regelmässig bewegt und gewartet (Belege vorhanden). 2019 erreichte er am Ascona Classic Car Award den zweiten Platz hinsichtlich Originalität. 2017 stand er in München an der Ausstellung «Letters to Andy Warhol». Ein Event, der die Verbindung des Künstlers mit amerikanischen Brands thematisierte. Dieser Wagen ist nicht nur eine Ikone, sondern ein Objekt, an dem man sich nicht sattsehen kann. Toll, das bei aller optischen Anziehungskraft auch das Fahren unglaublich cool ist und echt Freude macht. Ein Traumwagen in einer Traumfarbkombination und in einem Traumzustand. Doch es muss kein Traum bleiben. Der Cady steht in Obfelden und freut sich darauf, seinen neuen Besitzer durch die Lande zu fahren.